1000 sm zwischen Rügen, dän. Südsee und Bornholm (Einhand)

Eine spannende Saision 2011 mit wenig Sonne, viel Regen und Wind und sehr vielen Erlebnissen geht zu Ende.
Bericht folgt......





16.6.2011: 64 km



Heute ist der 16. Juni und heute ist der Beginn von "Reise, Reise". 2 Monate Segelabenteuer liegen vor mir, unterbrochen von kurzen Aufenthalten zu Hause mit meinem Sohn. Die Vorbereitungen verliefen extrem kurz. 2 Tage einkaufen und packen. Eine sehr kurze Zeit, um nichts zu vergessen. Heute ist der Tag der Abschiede. Der Abschied von meiner neuen Freundin, der Abschied von meiner Familie und ganz schwer: der Abschied von meinem Sohn. Es tut weh zu gehen, aber es ist auch Sinn dieses Sommers Abschied zu nehmen. Loslassen, zu sich selbst finden und neue Wege beschreiten. Das Boot ist wieder mal gut gerüstet für dieses Abenteuer: 120 Liter Benzin, 20 Liter Wasser, Essen und Getränke für 2 Personen für mindestens 2 Wochen, Ersatzmotor (diesmal auf Funktion geprüft), aktualisierte Seekarten usw. Heute fahre ich erstmals alleine nach Potsdam, morgen nach Rathenow, wo auch Stefan zusteigt. Ich freu mich darauf mal rauszukommen und auf den großen Moment, wenn wir nach der Fahrt über Havel und Elbe in Travemünde auf die Ostsee raus fahren. Aber das ist noch eine Weile hin. Noch scheint die Sonne und der Motor röhrt. Es wirkt alles sehr unwirklich auf mich. Jetzt ist noch alles vertraut und so nah, und schon bald bin ich in jeglicher Hinsicht weit weg von alledem. Das Boot wird wieder viel aushalten müssen. Dank der extremen Zuladung liegt es wieder sehr gut im Wasser. Hab dieses mal sogar den Boden vom Schlauchboot untergebracht und nach kurzer Panik auch die Ventile für selbiges gefunden. Es wird halt von Jahr zu Jahr mit immer mehr Erfahrung immer routinierter und professioneller. Es ist ein langer Weg ohne Trailer zur Ostsee, aber das habe ich ja nun freiwillig so gewählt und man kann sich dabei in Ruhe der Vorfreude widmen. Habe nun endlich nach 64 km und einer Schleuse den Motor ausgemacht. Stille, Stille, Stille... Habe in einem Seitenarm der Havel geankert und um mich rum Vogelgezwitscher, das Rauschen des Schilfes und sonst nichts. Sehr schön. Es hat anders als vorhergesagt nicht geregnet. Ist alles irgendwie um mich rumgezogen den ganzen Tag. Die Fahrt durch den Teltowkanal ist immer sehr unromantisch, aber ab Potsdam wird es dann deutlich besser. Jetzt heißt es aufräumen. Das wird meine Abendbeschäftigung und dann mit einem Grog die erste Nacht in der "Freiheit" schlafen.


17.6.2011: Ketzin- Rathenow / 65 km


Der Tag begann sehr schön. Nachdem es nachts ergiebig geregnet hatte und ich sehr gut geschlafen habe, schien früh die Sonne in die Koje und hat mich geweckt. Hab dann schön Kaffee getrunken und den Anker gelichtet. Danach ging es die Havel weiter stromabwärts Richtung Brandenburg. Dann weiter zur Schleuse Brandt. Dort war eine sehr enge Handbetrieb- Schleuse, wo mein Boot gerade so alleine reingepasst hat, da das wohl eher was für Paddler sein sollte. Aber dafür kein Warten, und ich habe alles selber gemacht. Die Havel ist ab hier sehr schön. All die Biegungen, das Schilf und sehr viele Vögel. Kurz hinter Milos lag mitten im Fahrwasser ein Schubschiff fest, ist wohl auf eine Sandbank gelaufen. Der Matrose hat erstmal die Satellitenschüssel gerichtet, was sollen sie sonst auch tun. Sie sehen jedoch nicht sehr glücklich aus. Bin jetzt kurz vor Rathenow. Der Motor läuft ohne Probleme und dank Strömung fahre ich mindestens mit 12 km/h. Es geht gut voran. In Rathenow kommt heute Abend noch mein Mitsegler Stefan an Bord und damit ist die Crew dann komplett. Den ganzen Tag Sonne, aber auch Wind bis 6 bf. Leider kommt der Wind von vorn, so dass das mit dem Segeln erstmal ausfällt. Und leider wird das Wetter noch schlechter werden.
Ab übermorgen: Regen, Regen, Regen... Die ständigen Tiefausläufer können unser ganzes Ostseeprojekt gefährden. Mieses Wetter mit viel Wind bedeutet viel Welle und das ist nichts für die Jolle. Ganz schlecht. Aber nachdem es nun fast 7 Wochen gar nicht geregnet hatte, ist ja klar, dass es so nicht ewig gehen wird und was in Bewegung kommt. Werden sehen. Langsam findet alles wieder seinen Platz auf dem Boot und ich lebe mich auf den paar qm Wohnfläche langsam ein. Das Gefühl der Freiheit tut gut und wird nun von Tag zu Tag mehr werden. Das ist schön. In Rathenow versuche ich einen schönen Anlegeplatz zu finden und werde auf Stefan warten. Der Autopilot leistet auch auf der Havel gute Dienste. Ansonsten Kaffee, essen, pinkeln. Muss ja alles mal sein. Verbrauch bei 20 Liter auf 65 km, geht so.


18.6.2011: Rathenow- Wittenberge / 80 km


Sind gegen 9 Uhr in Rathenow Stadtschleuse los. Dafür dass Dauerregen angesagt wurde, geht es ganz gut. Ab und an mal nen Regenschauer und das war’s. Der Wind ist immer noch recht stürmisch. Havelberg ist von weitem schön anzusehen. Gegen Nachmittag fahren wir endlich raus auf die Elbe. Das Schleusentor scheint mir wieder wie das Tor in die Weite. Die Elbe bringt uns nun deutlich Richtung See. Man fühlt diesen Übergang vom Seengebiet zu etwas, was in ein Meer fließen wird und damit direkt mit dem Meer verbunden. Auf der Elbe dann extreme Böen bis 7 bf und manchmal sogar Wellen mit Schaumkronen. Hinter uns eine gewaltige schwarze Wand, welche uns wohl bald überrollen wird. Totales Aprilwetter, aber dafür recht warm. An dieser Stelle der Reise konnte ich noch nicht wissen, dass dies der verregneteste Sommer aller Zeiten werden würde. Motor hält tapfer durch, wäre auch schlecht, wenn er auf der Elbe ausfallen sollte. Wir fahren konsequent von einer Kurvenausbuchtung zur nächsten. Abkürzen bringt nur Grundkontakt. Fahren dank der Elbe deutlich über 12 km/h. Dies kommt hoffentlich unserem Spritkonsum etwas entgegen. Diese Flusslandschaft ist sehr schön. Überall Sandstrände und Buhnen, welche in den Fluss reichen.


19.6.2011: Wittenberge- Boitzenburg / 109 km


Der Morgen sieht noch gut aus, aber kurz nach dem Ablegen kommt schon der erste sehr kräftige Schauer. Wind bis 6 bf frontal von vorne und schon baut sich gegen die Strömung der Elbe eine fette Welle mit Schaumkronen auf. Kennen wir ja nun schon. Fahren heute etwas langsamer um Sprit zu sparen, den Rest macht die Fließgeschwindigkeit. Heute treffen wir auf unserer Fahrt auf der Elbe den ersten Lastkahn. 2-mal 2 Schubverbände nebeneinander gezurrt, stromaufwärts. Das kann nur ein Pole sein. Und trotzdem seine Maschine gut brummt, schiebt er sich nur sehr langsam den Fluss hoch. Ab Mittag dann akutes Stimmungstief an Bord. Sonne ganz weg und Dauerregenfronten mit Sturmböen. Das schlägt aufs Gemüt. Wechseln uns beim Steuern ab, das erleichtert die Sache etwas, muss nur einer im Regen sitzen. Der Motor läuft und läuft. 3 Jahre ohne Reparatur und hunderte Kilometer hat er nun schon hinter sich. Aber er wird älter und ausgelatschter, die Lager lassen nach. Ist schon ein Wunder, was so eine kleine Maschine jeden Tag leistet. Habe meine Zeit in der Kajüte dazu genutzt um die Seekarten mit ausschneiden und überkleben auf den neuesten Stand zu bringen. Überall Kleber an den Händen, den Klamotten und am Boot. Aber der Aufwand hat sich gelohnt, wir sind fast vollständig auf dem neuesten Stand. Ist ja nicht ganz unwichtig. Ich versuche Stefan bei Laune zu halten mit Essen und Kaffee, gelingt aber nur mäßig. Über 100 km bei Dauerregen sind halt nicht immer nur Zuckerschlecken. Das Boot ist nun topp in Form und alles läuft. Einziger Schwachpunkt: leichter Wassereinbruch am Fenstergummi, der Klassiker also. Handtuch drunter und fertig, wird eh nie ganz dicht. Endlich erreichen wir Boitzenburg. Sind stimmungsmäßig voll angeschlagen. Regen, Regen, Regen. Da hilft nur noch Rum, viel Rum. Morgen wird es bestimmt besser.....


20.6.2011: Boitzenburg- Lübeck / 75 km


Sind früh raus und haben mal geduscht. Kann man ja auch mal machen. Trotzdem die Leute vom Verein sehr gastfreundlich sind, ist die Hafensituation sehr unromantisch. Heute mal Sonne mit Wolken, aber durch den Wind sehr kalt. Raus auf die Elbe und wieder voller Braten von vorne. Ab Lauenburg ab in den Elbe- Lübeck- Kanal und endlich Ruhe vor dem Wind. Der kommt jetzt eher achterlich und die Sonne scheint. Wir entspannen endlich und sehen etwas optimistischer in die weitere Reisezukunft. Der Elbe- Lübeck- Kanal ist schön anzusehen. Erinnerungen von 2009 kommen wieder. Nun bin ich mit Tide 2 schon das 2. Mal auf dem Weg zur dänischen Südsee. Die Wellenprognose für die kommenden Tage sieht eher mau aus. Wir werden sehen. Haben noch 50 Liter Sprit. Mal sehn, wo wir wieder tanken können. Ist nicht einfach an Benzin zu kommen. Diesel gibt es fast überall. Wenn wir es heute bis zum Passathafen schaffen, wäre es gut. Lübeck wäre aber als Ziel auch ok.
Ständig an der frischen Luft, das macht hungrig und sehr müde. Fahren im Konvoi mit 2 anderen Booten, das erleichtert die Kommunikation mit den Schleusen. Kümmern die sich drum, und wir fahren einfach hinterher. Haben momentan weder eine Karte für die Strecke noch Funk. Also einfach hinterher tuckern. Kurz vor Lübeck nach der vorletzten Schleuse nimmt der Motor kein Gas mehr an und geht auch mal aus. Sehr schlecht. Als ob er keinen Sprit bekommt. Sofortmassnahmen wie Filter reinigen und Zündkerzen popeln bringen keinen Erfolg. Langsam werde ich unruhig. Jetzt sieht die Wetterprognose gerade besser aus und dann das. Jetzt kommt die Stunde des Ersatzmotors. Der will aber nicht angehen, es ist wie verhext. Nachdem ich mich kurz beruhigt habe, die Erkenntnis: kein Sprit. Also Kanister raus und wieder ziehen, ziehen, ziehen... Endlich, unter ohrenbetäubendem Lärm geht er stottern an. Er macht schlappe 7 km/h, besser als nichts. Stefan lenkt und ich widme mich wieder dem Hauptmotor. Aber ich komme nicht weiter, er will nicht. Legen daher in Lübecker Süden gleich im 1. Hafen an und ich wuchte bei langsam untergehender Sonne den 35 kg- Motor an Bord und fange an zu basteln, erstmal recht ziellos und ohne jeglichen Lösungsansatz. Da wir ja eh erst morgen in eine Werkstatt könnten, is ja nun eh alles egal. Trotzdem überfällt mich Panik, da wir nun ausgerechnet kurz vor den großen Schlägen auf der Ostsee damit konfrontiert werden. Egal. Also schraube ich erstmal alles ab, was mir so unter die Finger kommt und im Weg ist, und arbeite mich zum Vergaser vor. Stefan sammelt alle Teile in unseren Esstellern damit nichts verloren geht, und ich diktiere ihm immer was ich wie abbaue, damit nachher nichts übrig bleibt. Finde trotz intensiver Suche nichts Spannendes als Ursache, und bin trotzdem froh am Ende alle Teile wieder verbaut zu haben. So nun wieder 35 Kilo über Bord gehievt und probieren. Hatte auch noch neue Zündkerzen verbaut. Er springt super an und klingt gut. Also werde ich mutig und wir machen in der Dämmerung ne Probefahrt. Er läuft wieder wie geschmiert, warum auch immer. Wir haben es wieder einmal geschafft. Jetzt kann uns nur noch das Wetter aufhalten. Machen gegen 23:00 Uhr endlich Essen, Kartoffeln mit Zwiebeln, Rum hinterher und schlafen. Die Wetterprognose zeigt eine kurze Lücke im System auf. Die Ostsee kann kommen.



21./22.6.2011: Lübeck- Schleimünde- Sønderborg / 115 sm


Sind heute recht spät gegen 9:00 Uhr aufgestanden. Haben mal geduscht und sind erst gegen 11:00 Uhr los. Von Lübeck haben wir nun leider nichts gesehen, wegen der abendlichen Motorreparatur. Motor läuft nun ohne Probleme. Haben noch 50 Liter Sprit. Das ist ok. Weise Stefan in unser umfangreiches Sicherheitsequipment ein. Jeder bekommt eine selbstauslösende Schwimmweste, den Motor selber betätigen können, Segel und Boot sowieso, Not- Raketen, Funk, GPS, Kartenplotter, Scheinwerfer usw. Das Schlauchboot liegt einsatzbereit aufgeblasen auf dem Kajütendach. Der Mast steht nun endlich wieder und nun heißt es segeln, segeln, segeln die Trave runter gen Ostsee. Passieren Travemünde mit den ersten großen Pötten und eh wir uns versehen sind wir schon draußen auf der Lübecker Bucht, gen Fehmarn. Wind 3-4 bf bei S/W. Das ist deutlich besser, als erwartet. Leider leicht diesig und voll bewölkt. Mal sehn wie sich das entwickelt. Es tut gut endlich richtig zu segeln. Viel Wasser und große Schläge. Freiheit. Fahren knapp 4 kn, bei 30 Grad Kurs. Die Wetterprognosen helfen nur bedingt, da halt ständig Tiefausläufer unser Gebiet passieren. Da brauchen wir etwas Glück und Mut zur Lücke. Erstmal bis Fehmarn und dann sehen wir weiter. Gegen 17:00 Uhr machen wir den Motor an, da der Wind sehr nachgelassen hat. Fahren jetzt 4,5 kn und die Sonne scheint mal zur Abwechslung. 19:00 Uhr schon wieder Dauerregen, W
nd mit 3 kommt auf, Segel raus und Kurs querab von Tonne schwarzer Grund auf 0 Grad gegangen. Gegen 22 Uhr passieren wir die Fehmarnsundbrücke und überlegen, ob wir wegen der weiteren Wetterprognosen weiterfahren, oder in einen Hafen gehen. Da Wetter wird in den nächsten Tagen nicht besser werden und wir stehen am Anfang einer Schlechtwetterfront mit mittelguten Prognosen für die nächsten Stunden. Und wie wir noch so beratschlagen sind wir direkt hinter der Brücke schon mittendrin im Wahnsinn. Der Wind nimmt deutlich auf 4+ bf zu mit langsam zunehmender Welle von vorn. Wir reffen das Groß und fangen erstmal an zu kreuzen um uns von Fehmarn freizuhalten und noch mal die Lage zu überdenken. Der Wind kommt leider etwas zu sehr von vorn um bis Schleimünde hart am Wind in einem Schlag durchzukommen. Da werden wir mindestens einmal aufkreuzen müssen, wenn er nicht wie angesagt langsam südlicher dreht. Da es nun schon gegen 0:00 Uhr ist, es dunkel ist und wir die Lage gut unter Kontrolle haben, entscheiden wir uns fürs Durchfahren bis Schleimünde. Ich schicke Stefan schlafen, damit wir nicht beide übermüden, und kämpfe mich hart am Wind durch die Kreuzsee. Wir werden hin und her geschaukelt mit 5,5 kn Fahrt und ich versuche 320 Grad zu halten. Das Ziel ist erstmal unklar, da nun die Möglichkeit besteht Schleimünde sausen zu lassen, oder Marstall anzusteuern. Da wir erstmal außerhalb von Schifffahrtsrouten sind, muss ich mich in erster Linie nur ums segeln kümmern. Stunde um Stunde kämpft sich das Boot nun durch die kürzeste Nacht des Jahres. Ein kleiner Kampf der Elemente und wir wieder mal mittendrin. Aber es geht und mit dem Wind ablaufen könnten wir jederzeit. Es wird in dieser Nacht nur dunkel, da es sehr bewölkt ist, was ich sehr schade finde, aber ist ja eh kein Sommerwetter. Angeleint und mit der Pinne ständig die See aussegelnd versuche ich hart am Wind zu bleiben und weiter nach West zu kommen. Und sie da, der Wind dreht und ich schaffe 260 Grad. Das ist gut, Schleimünde kommt nun wieder als Ziel in Frage. Ich würde da gerne einen Zwischenhalt machen, da dort auf einem Traditionsegler vor einigen Jahren meine Liebe zur Ostsee begann. Und jetzt so in der Nähe, wäre es schade vorbei zu segeln. Im übrigen ist es immer wieder ein großes Problem Einhand mit der Jolle zu segeln und gleichzeitig bei Regen und Welle lustig Karten zu studieren und gleichzeitig mit einer Hand die Pinne noch zu halten. Das geht eigentlich nur, indem man vorher alle Detailkarten durcharbeitet, sich den Kurs und Details in einem Übersegler markiert und dann mit diesem einen Blatt unter Folie agiert. Gegen 4:00 Uhr steht Stefan auf und ich falle völlig fertig in einen tiefen Schlaf. Als ich gegen 7:00 Uhr wach werde, scheint die Sonne und Schleimünde liegt vor uns. Ankern dort und ordnen erstmal uns und das Boot und hängen alles zum Trocknen in die Sonne. Das Tief sitzt uns im Nacken und deshalb heißt es gegen 11:00 Uhr Anker auf und bei 5 bf aus S/W Richtung Sønderborg. Ab dort sind wir dann relativ geschützt vor dem weiteren Wetterverlauf. Machen dort gegen 15:00 Uhr fest. Wir sind nun fast durchgehend 36 Stunden unterwegs gewesen und haben dabei 115 sm zurückgelegt. Was für ein Tag und eine Nacht und wieder ein Tag. Mittsommer 2011. Wir haben es wiedermal in die dänische Südsee geschafft. Freude.


23.6.2011: Sønderborg - Lyø


Haben geschlafen wie die Steine, 12 Stunden Vollkoma. Der Hafen macht einen sehr guten Eindruck. Bunkern 40 Liter Benzin für sage und schreibe 80 Euro. Das tut weh, aber ist nicht zu ändern. 2 Euro pro Liter, da muss das ja Megabölkstoff sein, den die Dänen hier fahren. Im Hafen 5 bf. Es pfeift und klappert, doch die Sonne scheint. Die Wetterprognosen für die kommenden Tage sind sehr widersprüchlich. Überall teils mit Regen und viel Wind und ab und an mal ne kleine Lücke. Es soll gegen Abend etwas abflauen. Nach einem spektakulären Ableger bei Wind und Welle, bei dem zum Glück alles gut ging, stampfen wir am Nachmittag gegen die schaumgekrönte Welle um dann durch dir Klappbrücke in den Alsund zu fahren. Dort geschütztes Binnenrevier. Aber die Freude wärt nur kurz. Am Ende des Alsundes geht es mit kreuzen voll gegen Wind und Welle bei bis 5 bf. Uns kommt eine Yacht mit gerade gebrochenem Mast entgegen. Stefan und ich schauen uns kurz an und weiter geht die Fahrt. Meter um Meter trotzen wir der stürmischen See ab und endlich nach der letzten Huk heißt es dann 90-100 Grad mit nun achterlichem Wind und bei strahlender Sonne auf nach Lyø. Nun kommen wieder Gefilde, wo wir 2 Jahre zuvor schon waren. Erinnerungen werden wach, gute und schlechte. Es war damals ein sehr aufregender Törn, da es der erste mit einem Jollenkreuzer war, und ich hatte damals noch eine fast intakte Familie. Bei soviel Wellen, Sonne und Segeln wird man schnell melancholisch. Jetzt liegen 5 Tage dänische Südsee vor uns. Urlaub und Entspannung für uns und das Material. Bis jetzt hat das Boot wieder gut gehalten und alles ist in Topform. Beim Groß ist das Achterliek schon mächtig ausgeleiert, aber so ist das nun mal nach 20 Jahren. Fahren bei angesagter 4 bf immer gleich mit Reff im Groß los. Dadurch segelt es sich bei Am- Wind- Kursen deutlich entspannter. Machen gut Fahrt mit 4,5-7 kn, kurzzeitig 9,3 kn. Wenn man nicht gegenan muss, ist das alles deutlich entspannter. Unser Spritverbrauch nähert sich nun fast 0, da wir ja fortan fast nur segeln. Ist schon krass dieser Unterschied des Vorankommens zwischen Binnen und See. Die Stimmung an Bord ist sehr gut. Am Horizont in achtern bahnt sich ein Sonnenuntergang vom feinsten an, die Wellen platschen, das Wasser gurgelt, Wolken rötliche Wolken ziehen ihre Bahn, Freiheit. Das Leben kann sehr schön sein. Überall auf den Inseln gibt es Mitternachtsfeuer. Unser Proviant hat bei der rauen Überfahrt über die Lübecker Bucht etwas gelitten. Alles ist durcheinander und zum Glück ist nichts kaputt gegangen. Das Essen wird diesmal locker bis zum Ende der Reise reichen und das ist auch gut so, da hier alles sehr teuer ist und selber kochen muss ja auch nicht falsch sein. Stefan ist in seinem Element und surft mit der Tide auf den Wellenkämmen. Mache zu dieser Kulisse mit Sonnenuntergang und Feuern auf den Inseln und Seefahrerromantik die CD von „Unheilig“ an, passt ja gerade wie die Faust aufs Auge. Den Anleger auf Lyø versemmeln wir dann total vor lauter entspannt sein. Geht aber nichts zu Bruch und am Ende wird alles gut. Bei Gegenwind den Dalben nicht zu erwischen ist egal, wichtig ist mutig mit gut Fahrt auf den Steg zuzusteuern und irgendwo festzumachen und dann zurücktreiben zu lassen.


24.6.2011: Lyø – Hafentag


Sind total eingeweht mit 6-7 bf. Da hilft nun nichts, wir müssen warten. Bekommen über Mittelwelle deutschen Seewetterbericht und der verheißt nichts Gutes für die nächsten Tage. Zuviel Wind und der leider auch noch Süd drehend. Sehr schlecht. Einzige Lücke erscheint übermorgen. Da geht uns leider viel Zeit verloren, aber so ist das nun mal wenn man auf den Wind angewiesen ist. Es ist trotz Sonne sehr kalt.


25.6.2011: Lyø - Skarø - Bagenkop / 32 sm


Sind gegen 6:00 Uhr raus und haben zügig abgelegt, bevor der Wind wieder auffrischt. Wollen heute versuchen quer durch die dänische Südsee bis Bagenkop zu kommen und machen in Skarø gegen 9:00 Uhr erstmal Zwischenstopp. Der Wind hat wieder tüchtig zugelegt, aber die Sonne scheint und wir sind guter Dinge. Haben unterwegs gefilmt. Werden sehn, ob wir bis Bagenkop kommen. Ansonsten Marstall, ist ja auch sehr schön. Skarø ist eine sehr schöne Insel. Haben dort einen Rundgang gemacht und obligatorisch Eis gegessen. Haben dann gegen Mittag abgelegt und sind bei 4-5 bf an Birkholm vorbei Richtung Marstall und dann Richtung Bagenkop gesegelt. Als wir bei Marstall aus der Deckung kommen zeigt die See ihre Krallen mit Wind und Wellen bis 1 Meter. Da sie seitlich laufen ist uns das aber egal, doch es schwoft ganz schön und Stefan wird tatsächlich etwas seekrank. Brausen nur mit der Fock auf unser Tagesziel zu und legen entspannt an einem ruhigen Plätzchen ganz hinten an. Sind unschlüssig über den weiteren Reiseverlauf, da dieses Wetter schwer zu kalkulieren ist.


26.6.2011: Barenkop- Omø / 36 sm


Der Tag fängt sehr Aprilmäßig an. Nieselregen und Windstärke 0! Die See ist spiegelglatt, wir könne jetzt also erstmal in alle Richtungen losfahren und damit tun sich ganz neue Ziele auf. Daher Plan B: wir fahren an Sundland vorbei nach Omø und wollen dann Richtung Femø und von dort Richtung Darß/Hiddensee. Also doch Motor an und los. Nicht gerade Superstimmung bei dem Wetter, aber was soll’s. Muss viel an Lennart denken, er fehlt mir sehr. Es sind zwar „nur“ 2 Wochen, aber seine Nähe fehlt mir doch sehr. Es ist total schön Kinder aufwachsen zu sehen, wie sie mit ihrer Unbedarftheit die Welt erobern, wissbegierig und unvoreingenommen. Da kann man sich manchmal ne Scheibe abschneiden. Das Wetter klart langsam auf. Haben aus Spaß wenigstens die Fock mal rausgelassen. Dachte heute Morgen der Wechselrichter wäre defekt. Nicht gut wegen Kartenplotter. Aber lag nur daran, dass die Batterie voll geladen war und bei Überspannung schaltet er ab. Also alles gut. Im Großen und Ganzen brauchen wir wenig die Karten, da es recht leicht zu navigieren ist und nachdem wir im Vorjahr in den Schären waren, kann uns kaum noch was schocken. 2 bis 3 Mal in die Detailkarten schauen, Übersegler raus und auf geht's, wenn man die markanten Punkte im Blick behält. Den Plotter brauchen wir nur wenn irgendwas unklar ist oder nachts. Hilfreich ist, dass das Kartenprogramm Fotos der Häfen darstellt und man damit ungefähr eine Vorstellung davon bekommt, wie das Ziel aussieht. Hab das Boot geschrubbt und wiedermal die Bilge entwässert. Alles tipp topp für den 2. Teil unserer Reise. Ab morgen warten anscheinend 2 Tage Sonne auf uns. Der Pinnenpilot ist wieder unser bester Freund. 30 sm ohne Rudergang. Bei Motorfahrt finden sich eh kaum Freiwillige an Bord, welche gerne steuern. Nun noch schnell eine 5 Minuten- Terrine, um die Stimmung etwas zu heben. Der fest eingebaute Gaskocher auf dem Schwertkasten erleichtert das Kochen sehr, davor ist noch ne kleine Stellfläche für Töpfe und Tassen und hinten eine Tischplatte für das Kartenmaterial. Da ist also etwas Ordnung drin. Im Vorschiff sind Proviant und Klamotten und Backbord und Steuerbord schlafen wir. Tagsüber sind das Sitzecken und in einer hängt auch der Kartenplotter ständig einsatzbereit an der Wand. Dann noch Teller und Fernglas und Rum usw. in Regalen an der Wand. Das geht so schon ganz gut. Es ist wichtig, dass alles fest verstaut ist und immer seinen selben Platz hat. Da findet man sich auch im dunkeln oder brenzligen Situationen immer gut zurecht, und es ist in der Sitzposition fast alles mit einer Hand erreichbar, ohne sich weiter durch die Kajüte quälen zu müssen, was besonders bei Seegang sehr gut ist. Der Motor brummt und die Segel schlagen, wir ziehen nun einen geraden strich durch die glatte See. Ab und an mal ein Frachter. Lesen und dösen. Die Wellen plätschern harmlos gegen das dünne GFK. Erstaunlich wie anders das auf dem Schlag über die Kieler Bucht war. Kann man sich jetzt fast gar nicht mehr vorstellen. Fahren den Großen Belt hoch, Wetter könnte nicht günstiger sein für uns. Erinnerungen an 2009 werden wach, als wir von Åhus aus durch die Große Belt Brücke gefahren sind bei achterlicher großer Welle und viel Wind, und jetz
wirkt alles wie auf dem Müggelsee. Die See hat viele Gesichter. Gegen Nachmittag wird es kurz ganz klar. Mit Schmetterling und strahlendem Sonnenschein und 0 Welle den Belt hoch. Es ist ein Jollentraum. Liege auf dem Vorschiff und schau in die Wölkchen. Der Wind flaut dann leider total ab, so dass wir wieder motoren müssen. Aber es wird endlich mal wärmer. Seit 30 min. verfolgt uns eine Möwe. Sie setzt sich 5 Meter hinter uns ins Wasser und bleibt achteraus, um dann bei einiger Entfernung zu starten und sich wieder hinter uns ins Wasser zu setzen. Sie hält uns wohl für ein Fischerboot. Dieser Vorgang wiederholt sich sehr oft, für uns lustig, für sie dumm gelaufen, da kein Fisch an Bord ist. Laufen am Abend in den Hafen von Omø. Sehr schöner Sonnenuntergang und im Hintergrund die Große Belt Brücke. Der Anblick fasziniert mich, waren wir doch dort wie gesagt 2 Jahre zuvor auf den Wellen nach Agersø geritten. Sitze melancholisch im Sonnenuntergang an Deck und trinke Rum.



27.6.2011: Omø - Askø/ 32 sm


Der Hafen auf Omø und die Insel selber sind sehr schön. Vom Hafen aus hat man einen schönen Weitblick auf die Große Belt Brücke. Wandern früh noch 6 km über die Insel. Erster Sonnentag. Schon seit 11:00 Uhr brennt nun die Sonne vom Himmel. So abwechslungsreich kann ein Sommer sein. Wind heute bis 3 bf. Müssen wohl viel motoren um nach Askø zu gelangen. Stefan ist genervt vom motoren, gleich nach dem ablegen gegen Mittag. Ich genieße jedoch das Südseefeeling. Glatte See, türkises Wasser, Weitblick, klare Luft und die Sonne. Ein sehr schöner Tag. Der Wind wird schon wiederkommen. Meine Strategie ist nun noch vor dem erneuten herannahendem Tiefausläufer über Häsnäs nach Rostock und dann über den Darß nach Hiddensee… Mal sehn, ob wir Glück haben. Momentan fahren wir S/O Kurs, exakt gegen den Wind. Hab gestern erstmal kurze Benzel gemacht, um die Gardinen der Kajüte mal zur Seite binden zu könne, damit mal Sonne in die Buze kommt und man auch mal rausschauen kann. Würden gerne baden, aber in diesem Sommer sind überall extrem viele Quallen. Die bringen uns nicht um, aber lassen uns zumindest noch mal drüber nachdenken. Der Wind nimmt zu. Wir machen den Motor aus, und fangen an zu kreuzen. Das ist der Schwachpunkt der Jolle. Mit 120 Grad am Wind gewinnen wir keinen Blumentopf und machen kaum was gut. Der Tag zieht sich nun sehr in die Länge. Haben inzwischen eine gute 4 bf von vorne, und die Wellen werden deutlich größer. Erreichen Askø erst gegen 23:00 Uhr, und ich bin sehr enttäuscht über den Hafen. Bei Ost steht voll der Schwell drauf, und so wird es eine sehr unruhige Nacht werden.


28.6.2011: Askø- Nykøbing 42 sm


Sind gegen 9:00 Uhr aufgestanden und haben erstmal eine Lagebesprechung zwecks zukünftiger Strategien gemacht. Wind immer noch von S/O, also von vorn. Sehr schlecht und dann auch noch ne sehr gute 4 bf und die dazu passende Welle. Müssen sehn. Sind die Nacht in dem recht ungeschützten Hafen sehr hin und her geschaukelt worden. Da Askø uns nicht vom Hocker reißt, da wir Inselmäßig schon sehr verwöhnt sind, heißt es Leinen los und raus. Dann die entscheidende Frage: Møn ( wo ich unbedingt hin will) oder wie vor 2 Jahren durch den Guldborgsund. Wir wollen beide nach Møn, aber hier entscheidet die Jolle, dass hier ihre Grenzen sind. Deutlich und knallhart. Wir sind machtlos und könne nichts machen. Es tut weh, aber Sicherheit geht vor. Bei dem Wind und der Welle können wir es nicht über Møn wagen und gehen auf Nummer sicher Richtung Guldborgsund. Es tut sehr, sehr weh. Dann reißt bei einer Wende auch noch vom Schothorn der Fock ein. Meine Stimmung sinkt trotz Sonne auf einen Tiefpunkt. Finde noch Windbenzelkleber und versuche etwas zu „tapen“. Hoffe sie hält weiter durch und ist dann beim Segelmacher noch zu retten. Hab ja Ersatzsegel, aber auch die müssen bei der Rollanlage erstmal eingeschlagen werden. Draußen unmöglich und bei Wind selbst im Hafen schwer. An der Brücke in den Sund haben wir Glück, ein Schleppverband will auch gerade durch, sie ist oben. Danach tritt jedoch nicht die ersehnte Deckung ein, so wie 2 Jahre zuvor. Der Wind legt sich in den Sund und peitscht das Wasser in großen Wellen vor sich her und uns entgegen. Der Motor schiebt uns nur langsam voran, macht keinen Spaß gegen die Wellen, dass Boot schlägt hart auf, es tut weh in den Ohren und im Kopf. Endlich nach langem Kampf legen wir gegen 15:00 Uhr in Nykøbing an.


29.6. 2011: Nykøbing- Warnemünde 52 sm


Es ist 6:15 Uhr und irgendetwas piepst wie Hölle. Der Wecker, aufstehen. Aha, so fühlt sich das also an, wenn man gegen 1:00 Uhr schlafen geht und früh raus muss. Aber es hilft nichts, wir haben heute noch viel vor. Haben am Vorabend im Internet intensiv das Wetter studiert und da geht was. Legen gegen 7:00 Uhr ab, die Sonne lacht und mit leicht achterlichem Wind mit guten 3 bf fahren wir durch den Guldborgsund Richtung Deutschland. Es fühlt sich gut an, und ich bin optimistisch was unseren großen Schlag nach Rostock angeht. Fahren mit gelegtem Mast durch die letzte Brücke, um Zeit zu sparen, Richtung Gedser. Auf dem Bredlingen kann man durchweg den Grund sehen, aber uns mit der Jolle kann das nicht verunsichern. Sand, Pflanzen, Steine…, ist schön anzusehen. Bald sind wir auf der See, mal sehn was dort für eine Welle ist. Kürzen großzügig Rödsand ab und fahren knapp am Windpark vorbei. Sehr flach hier und die Wellen laufen hier gut auf. Weiter draußen sind dann Wind und Welle stabil, und wir fahren mit Halbwind Richtung Rostock. Totale Weitsicht, Ostsee fast glatt und 4 bf. Jollensegeln. Machen den Pinnenpilot an und genießen diese entspannte und doch für uns sehr schnelle ( 5 kn) Überfahrt. Total stressfrei. Keine Welle, kein Regen, keine Wolken, keine Kadettrinne. Nichts was unseren Tag trüben könnte. Perfektes Wetter. Wird die entspannteste Überfahrt in offener See mit einer Jolle, welche ich bis dahin erlebt habe (war die 6.) Weite, Weite, Weite… Es ist schön so zu reisen, keine Frage. Und gleichsam dem Plätschern der Wellen lauschend, kann nun auch die Seele baumeln. Kommen langsam in den Bereich wo große Schiffe kreuzen. Viel los hier, aber dank Kurs und etwas Glück kommen wir gut durch. Ein Traumtag, mehr geht mit einer Jolle nicht auf der Ostsee. Hohe Düne wir kommen. Werden kurz vor Warnemünde dann von einem riesigen Zollboot mit megalautem Megaphon angesprochen. Das übliche: woher, wohin und wie viele. Das Antworten unsererseits erfolgt mit Armen und Beinen wegen fehlendem Megaphon, und Funk dürfen wir besitzen, aber nicht betreiben. Wir sollen weitersegeln. Na gut, mit wie wenig man doch Menschen glücklich machen kann. Kurz vor Hohe Düne das 2. Zollboot. Selbe Situation und selbe Fragestellung. Mir wird das langsam zu blöd. Da fahren wir wochenlang durch die Gegend und jetzt hier kurz vorm Etappenziel dieses Interesse am wohl kleinsten Boot. Doch wir sind ja nun routiniert. Scheint denen augenscheinlich auch suspekt. Ein „woher und wohin –Aktionstag“ vom Zoll. Wir vergessen die Sache und steuern bei strahlendem Sonnenschein gegen Abend Hohe Düne an. Kaum haben wir am Steg angelegt, stehen jedoch schon wieder 2 Zollbeamte vor uns und möchten eine Begehung machen und ob wir Waffen oder Sachen hätten, welche verzollt werden müssten. Ich finde die Situation krotesk. Denen scheint es auch so zu gehen. Der Jüngere kraxelt auf das kleinste Boot, was er wohl je betreten hat, und versucht sich umzuschauen. Findet jedoch nichts Spannendes und nach dem obligatorischen Papierkram ist die Sache erledigt. Die beiden schlimmsten Piraten der Ostsee mit dem kleinsten Boot sind noch mal davon gekommen;o)) Ein Problem bei der Zollgeschichte bleibt jedoch die Spritsituation. Man darf wohl nur 10 oder 20 Liter im Kanister mitführen und alles andere müsste versteuert werden oder in einem festen Tank sein. Das ist mit unseren max. 120 Litern in Kanistern dann doch ein unlösbares Problem. Aber alles gut gegangen. Fahren mit der Fähre rüber nach Warnemünde an den Strand und schauen uns mit Wein den Sonnenuntergang an. Leider bin ich schon so betütelt, dass ich nicht ein leichtes Unbehagen spüre, wie dann diese Traumwetter weitergehen könnte. Wir wiegen uns im Sommertaumel.

30.6.2011: Unfreiwilliger Hafentag


Es kam, wie es kommen musste… Es war ein großer Fehler gewesen, nicht komplett bis Hiddensee durchzufahren, auch wenn dies eine sehr lange Strecke gewesen wäre. Das was sich jetzt gerade ereignet, hat mit Sommer nichts zu tun, sondern eher mit Frühjahrs- oder Herbststürmen. Es ist wie ein Weltuntergang. Es regnet wie aus Eimern waagerecht bei 6-7 bf aus West. Das ist dann erstmal das Ende der Reise. Ich bin frustriert und verärgert über meine Fehlentscheidung. Wir verharren in Schockstarre. Und da das Boot auch noch verkehrt herum zum Wind liegt, peitscht der Regen heftig gegen das Kajütluk und immer wenn wir kurz raus wollen, wird alles nass. Hohe Düne ist sehr elitär und dekadent, ein Kulturschock nach den beschaulichen Häfen der letzten Wochen. Die Wetterprognosen sehen sehr schlecht aus. Ich will jetzt so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben. Wir müssen warten.


1.7.2011: Rostock- Darßer Ort- Vitte/ 60 sm



Haben Wecker auf 4:00 Uhr gestellt. Oft gibt es früh ein kurzes Nachlassen des Windes, um wenigstens halbwegs aus dem Hafen zu kommen. Wind immer noch gute 4 bf aus West bei vorhergesagter Welle von 1,5 Metern. In Böen soll der Wind wieder auf über 6 bf im Laufe des Tages anschwellen, jedoch ist Sonne zu erwarten. Ich bin im Bilde. Wieder einmal heißt es: jetzt oder nie. Kommen relativ gut frei vom Anleger und motoren zur Hafeneinfahrt raus und ab geht die Post als wir aus der Deckung kommen. 1,5 Meter von der Seite, Wind deutlich vorlicher als gedacht. Motor hängt wegen Seegang fast nur in der Luft. Irgendwie geht es so nicht und ein zurück ist unmöglich. Da wir aber schon einige Situationen erlebt haben, versuchen wir die Lage zu analysieren und einen möglichen Weg zu finden. Wenigstens die Sonne kommt langsam raus. Setzen die Fock und schauen erstmal wie es läuft. Durch die Wellen und den fast Am- Wind- Kurs ist die Krängung +/- 30 Grad, und wir werden also mit 60 Grad durch geschaukelt. Sehr gewöhnungsbedürftig, da man manchmal sogar das Gefühl hat nach Luv zu kentern. Müssen leider bis Darßer Ort auf diesem Kurs bleiben und können erst dann weiter abfallen. Es zerrt an den Nerven und ist durch die Konzentration und die Urgewalten sehr anstrengend. Der Weg wird schier unendlich. Böen bis 7/8 bf. Es wirkt skurril bei dem Sonnenschein. Als wir Darßer Ort näher kommen, beschließen wir dort einen Zwischenstop einzulegen. Notsituationswürdig sind wir ja auf alle Fälle. Aber die Zufahrt erfordert noch mal einen langen Schlag gegen Wind und Welle…, und dann endlich die Sandbänke an der Einfahrt, ruhiges Wasser und schwups sind wir im Paradies. Sehr schön hier und eines der großen Träume von mir, vor der Schließung als Nothafen, endli
h mal hier gewesen zu sein, geht in Erfüllung. Uns bleibt leider nur die Zeit, alle Klamotten in der Sonne zu trocknen und das Boot wieder zu klarieren für den Start rüber nach Hiddensee, denn das nächste Tief ist uns sehr nah auf den Fersen. Wind nimmt erstmal kurz ab und noch 30 sm bis Vitte. Setzen Großsegel und laufen gegen 19:00 Uhr und an einem regenfreien sonnigen Tag mit viel Wind auf meiner Lieblingsinsel ein. Was für ein Ritt, was für ein Tag. Irre…, Wahnsinn und Glück lagen nahe beieinnander.


2.7.2011/ Hiddensee- Ralswiek/ 18 sm


Es kam wie erwartet. Regen und wieder 5 bf aus West. Was soll’s. Wir schlafen bis 11:00 Uhr und fahren gegen 15:00 Uhr los, als es leicht zu nieseln anfängt. Trotzdem eine sehr gute und schöne Überfahrt mit achterlichem Wind bei guten 4 bf. Endlich in Ralswiek. Das 1. Mal 2010. Für Stefan ist der Hafen das Ende der Reise. Für mich nur ein Zwischenstop in diesem Sommer. Reise, Reise geht weiter.


8.7.2011: Ralswiek- Hiddensee- Ralswiek/ 32 sm


Bin mit Lennart und Katrin übers Wochenende zum Boot gefahren. Schönes Wetter erwartet uns: erst Feuerwerk am Vorabend, dann haben wir sehr gut zu dritt auf dem Boot geschlafen und sind entspannt bei strahlender Sonne nach Hiddensee rüber. Dort haben wir einen sehr schönen Strandtag verbracht mit baden, wohlfühlen und mit dem Sonnenuntergang im Rücken zurück nach Ralswiek. Kurz vor dem Anlegen ein kräftiges Gewitter, dann Feuerwerk und schlafen…


10./11.7.2011: Ralswiek- Thiesow/ 135 sm


Es ist mal wieder soweit. Rund Rügen mit Dirk steht auf dem Plan. Kommen gegen 23 Uhr im Hafen an. Das Boot liegt friedlich im romantischen Hafen und der Wind ist gleich null. Checken nach dem Einräumen kurz das Wetter und schnell wird klar, wir müssen sofort los, denn das gefühlt 200. Tief ist uns diesen Sommer schon wieder auf den Fersen. Motoren also in totaler Finsternis durch das Fahrwasser an Breege und der Vittower Fähre und dem Dornbusch vorbei und schwups sind wir auf der Ostsee. Setzen Segel und mit West 3 bf geht es dann dem Sonnenaufgang entgegen an Kap Arkona vorbei. Die Nacht war am Ende sternenklar und wir erleben einen traumhaften Sonnenaufgang. Wir denken denn mal kurz an Caspar David Friedrich beim Passieren des Kreidefelsens und fahren an Binz und Göhren vorbei zum Greifswalder Bodden. Beraten uns dann noch kurz wegen dem Wetter und dann fällt die Entscheidung gegen Usedom, und wir wollen bis zum Abend am Mönchgut und Klein Zicker vorbei nach Thiesow. Dort erwartet uns ein sehr schöner und kaum verkitschter Hafen. Sehr ursprünglich. Wir fühlen uns sofort wohl. Ein topp Tag. PS: Dirks versuche Fische zu fangen sind leider gescheitert und so greifen wir zu vorgeschrittener Stunde auf das altbewährte Rezept mit Kartoffeln und Erbsen aus der Büchse zurück.


12.7.2011: Thiesow- Stralsund- Schaprode


Sind früh aufgewacht und es scheint die Sonne. Dirk schmiert frische Brötchen. Der neue Kocher hat leider die Hufe hochgerissen. Jetzt reicht mir das langsam mit diesem Campingkram. Nehme das Teil auseinander und entdecke das Problem. Baue alles ab, was nicht nötig ist und reduziere das Gerät auf das Wesentliche. Die Bedienung wird dadurch etwas umständlicher und gefährlicher, aber dafür arbeitet er wieder zuverlässig. Fahren mit Sturmfock und gerefftem Groß mit 6 kn über den Greifswalder Bodden Richtung Stralsund. Welle sieht noch sehr gut aus und Wind kommt leicht achterlich. Der Wetterbericht sagt inzwischen den Weltuntergang voraus, und selbst die Fischer scheinen verunsichert. Auf dem Bodden wieder die typisch fiese Hackwelle, aber seitlich. Kürzen schön das Fahrwasser ab und schwups in den Strelasund. Am Rügendamm lüpfen wir kurz den Mast und dann das böse Erwachen in Stralsund. Kein Platz frei und langsam nimmt der Wind zu. Machen erstmal irgendwo fest und werden verjagt. Mir reicht es. Bei stetig steigendem Wind bis 5 bf und aufkommendem Regen schlagen wir uns mit dem Motor nach Schaprode durch. Der Wetterbericht ist nicht zu gebrauchen. Statt aus Süd kam der Wind aus Nord. Das ist nun mal deutlich ein Unterschied. Aber so is das nun mal. In Schaprode dasselbe Liegeplatzproblem. Aber gegen 21:00 Uhr hab ich genug, und wir bleiben einfach auf einem Einheimischenliegeplatz liegen. Wind hat wieder nachgelassen und wir bereiten alles für den Weltuntergang in der Nacht vor. Viele Festmacher und Fender und alles festmachen. Als wir einschlafen dümpeln wir ruhig am Anleger. Dann gegen 4:00 Uhr werden wir wach, und die Hölle bricht los. Heftige Böen und extremer Starkregen. Am Morgen stelle ich fest, dass es am Vorschiff bei der Führung der Rollanlage mächtig reingeregnet hat. Alle Polster klitschnass. Hab zum Glück noch nen Ersatzgummi bei und setze ihn ein. Überall dunkle Wolken und Regen und keine Besserung in Sicht. Kein Sommer nich.


13.7./14.7.2011: Schaprode- Breege- Ralswiek



Fahren an dem Abend noch bei Sonnenschein bis Breege. Haben dort kurz Stress mit nem Einheimischen beim Anlegen. Am nächsten Morgen dann Rückfahrt nach Ralswiek und dann nach Berlin. Boot bleibt zurück. Im Großen und Ganzen ein sehr schöner Törn.


1.8.2011: Ralswiek- Hiddensee/ 16 sm


Endlich wieder auf dem Boot. Das Freiheitsgefühl ist diesmal sofort da. Stehe unter Strom, es geht wieder los. Diesmal mit Freundin Katrin eine Woche rund Rügen mit Hiddensee. Das erste Mal für sie auf der Ostsee segeln. Packen alle Sachen ins Boot und fahren erstmal tanken. 120 Liter sind wieder gebunkert, und ich bin entspannt. Fahren mittags los bei Sonne satt. Dann kurz vor Vitte schiebt sich eine richtige Nebelwand übers Wasser. Auf der einen Seite Sonne und daneben null Sicht. So etwas hab ich noch nicht erlebt. Sehr merkwürdig und gruselig. Null Sicht, Stille, Einsamkeit und sofortige Orientierungslosigkeit und das im Fahrwasser vor Hiddensee, von den Fähren ganz zu schweigen. Das ist wirklich mal was Neues für mich und ich brauche kurz, um die nächsten Schritte einzuleiten. Das nächste Tonnenpaar ist nicht auszumachen. Da ich aber vor der totalen Orientierungslosigkeit gut den Kurs hatte, schau ich kurz in die Karte und fahre mit dem Kompass einfach drauf los. Fühlt sich sehr merkwürdig an. Habe keine Angst vor Untiefen, sondern vor Netzen und anderen Booten. Und sieh da, schwups taucht kurz vor uns das gesuchte Tonnenpaar auf, und wir haben es fast genau getroffen. So eiern wir weiter bis Vitte. Alles rappelvoll. Nehmen den Hinweis eines anderen Jollenseglerspaares dankbar an und finden einen sehr schönen Platz ganz kurz vor dem Schilf. Dabei sei mal angemerkt, dass man mit einer schönen Mitseglerin deutlich einfacher einen Liegeplatz findet. Wegen extremer Mückenplage fällt Sonnenuntergang schauen aus, und wir verbarrikadieren uns im boot. Die Viecher sind extrem hartnäckig, aber Dank unseres Weinkonsumes lassen die Schmerzen schnell nach.


2.8.2011: Vitte- Glowe/ 35 sm



Wenig Wind und Sonne satt, was will man mehr. Frühstücken entspannt und fahren gegen 10:00 Uhr los, raus auf die Ostsee rund Rügen. Wind ist leider ungünstig von Ost und damit von vorne. Kreuzen daher erstmal weit auf die See raus (sehen schon kurz Møn am Horizont) und dann ein großer Schlag zurück. Segelt sich super, bringt uns aber kaum voran. Motoren dann bei fast glatter See und wenig Wind an Arkona vorbei und können dann das letzte Stück Richtung Glowe noch segeln. Dort alles extrem voll, aber wir finden Dank meiner Bootsfrau wieder ohne Schwierigkeiten eine Lücke und sind willkommen, alles gut. Diesmal auch etwas Sonnenuntergang mit mittelvielen Mücken.


3.8.2011: Glowe- Thiesow/ 25 sm



Merken schon beim aufstehen, dass der Wind aufgefrischt hat. Wieder mein alter Fehler. Wir hätten gestern bis Sassnitz fahren sollen, egal wie. Aber nun ist es wie es ist. Wind mit guter 4 bf aus S/O und damit frontal von vorne den ganzen Tag. Sehr schlecht. Nach dem entspannten Frühstück setzen wir Segel, und kommen am Wind auch erstmal gut aus der Bucht raus mit bis zu 9 kn Fahrt. Doch dann müssen wir immer weiter dem Wind entgegendrehen. Kurz vor dem Kreidefelsen ist Schluss. Alle Segel bergen und mit vollem Motorschub gegen die Kreuzsee mit ihren Schaumkronen. Die Geschwindigkeit geht auf 3 kn runter, und der Verbrauch liegt bei 20 Liter für 2 Stunden! Genau hier war ich schon fast mit meiner ersten Jolle 2003 gescheitert. Damals war ich noch etwas unbedarft, jetzt heißt es durchhalten und langsam voran arbeiten. Da am Kreidefelsen große Stücke durch das Wetter abgebrochen sind, schimmert das Wasser überall türkisfarben. Sieht aus wie in der Südsee, irre. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, und wenn wir nicht gegenan müssten, wäre es perfekt. Als wir rum sind, können wir kurz wieder segeln und kommen so von Sassnitz bis Göhren mit wenig motoren aus. Kreuzen etwas und genießen den Tag. Hier sind auch deutlich weniger Wellen. Bei Landtief wird wieder kräftig abgekürzt und dann noch mal mit voller Welle und Wind Richtung Thiesow segeln. Katrin ist durch die Tagesereignisse etwas eingeschüchtert. Ist doch etwas anders als segeln auf dem Müggelsee. Glaube habe ihr etwas viel zugemutet und habe die Ahnung, dass es morgen noch aufregender wird. Da muss ich wohl etwas an der Mannschaftsstimmung arbeiten. Endlich kommen wir nach diesem langen und aufregenden Segeltag im völlig überfüllten Hafen an. Aber hier zahlt es sich mal aus ein kleines Boot zu fahren, denn so bekommen wir irgendwie doch noch einen Platz und alles ist gut: Sonne, Hafen, Wein, Leben! Hab an dem Abend noch den Pinnenpilot repariert, er hatte komische Geräusche von sich gegeben.


3.8.2011: Thiesow- Stralsund / 25 sm


Schlafen gut und ruhig, trotz zunehmendem Wind. Legen nach einem sehr ausgiebigen und leckeren Frühstück ab, und trotzdem wir nur die Fock setzen, rauschen wir auch schon dem Greifswalder Bodden entgegen. Ich hab da so meine Vorahnung, dass es kein Spaziergang wird. Regen ist angesagt, aber weit und breit scheint die Sonne. Der Wind weht mit einer guten 4 bf und kommt achterlich, dass ist mal sehr gut. Nur die Wellen sind nicht ohne. Es ist schwer den Kurs zu halten, und das Boot schaukelt mächtig hin und her. Katrin hält sich tapfer, aber Begeisterung sieht wohl anders aus. Es ist ein schöner Segeltag, und schon rauschen wir in den Strelasund Richtung Stralsund. Legen am Rügendamm kurz den Mast und sehen schon von weitem, dass Stralsund rappelvoll ist. Bin diesmal etwas forscher, und mache einfach an einem kleinen Anleger ganz hinten bei rotem Schild fest. Bei de
Manöver gibt Katrin ein lustiges Bild ab, und einige wollen zu Hilfe eilen, doch ich beruhige sie und sage, dass wir immer so anlegen. Währenddessen hängt Katrin zwischen Boot und Steg, und hält tapfer die Stellung bis ich alles vertäut habe. Nach kurzer Nachfrage ist klar: wir können hier eine Nacht liegenbleiben. Schwein gehabt. Bummeln noch durch Stralsund und bestellen 3 Pizzen mit Wein. Segeln macht hungrig. Danach ab in die Koje und Tiefschlaf.


4.8.2011: Stralsund- Ralswiek / 32 sm


Wetter entgegen der Voraussage immer noch gut. Legen nach dem Frühstück schnell ab, und segeln fast die ganze Strecke entspannt durch Hiddenseer Fahrwasser, und an Wittower Fähre und Breege vorbei, Richtung Ralswiek. Viel Sonne, Wellen, Segeln in den letzten 4 Tagen. Eine sehr schöne Rügenumrundung geht zu Ende. Und wir hatten viel Glück mit dem Wetter. Vor uns die Sintflut und Wochen nach uns auch. Dies blieb die einzige große Sonnenlücke. Schwein gehabt.


13.8.2011: Ralswiek- Schaprode ( rund Rügen nonstop) / 136 sm


Der Wetterbericht und das unvorhersehbare Wetter in diesem Sommer halten einen auf Trab. Es hat die ganze Woche nur geregnet, und dieses Wochenende will ich noch mal raus auf die See und Abschied nehmen von Wasser und Freiheit. Stefan kam gestern mit dem Zug, und endlich ließ auch der Dauerregen etwas nach. Dann Lagebesprechung. Die gute Nachricht: es wird weniger regnen. Die schlechte: dafür nur 3 bf aus östlichen Richtungen. Das ist zu wenig, aber wenn wir gegen die Uhrzeiger Sinn fahren wollen ist das ok so, da wir sonst nicht gegen die Welle auf dem Greifswalder Bodden ankommen. Gegen den Uhrzeigersinn ist eher selten. Mal was Neues. Fahren bei 3 bf und bedecktem Himmel mit achterlichem Wind aus Ralswiek und Hiddensee entgegen. Dann am Dornbusch auf die See und außenrum ( man gönnt sich ja sonst nichts) an Hiddensee vorbei Richtung Stralsund. Macht den Weg nicht kürzer, aber ist ein super Anblick. Am Dornbusch voller Schauer und dann gleich wieder blauer Himmel und Sonne satt. Erreichen Stralsund gegen 18:00 Uhr. Kurze Hafenrundfahrt an der Gorch Fock vorbei, und dann Segel bergen und Mast legen und unter dem Rügendamm durch. Sehr schön, nicht an diese Brückenöffnungszeiten gebunden zu sein. Und ab geht's in den Strelasund. Die Tage sind deutlich kürzer geworden. Die Sonne steht gegen 19:00 Uhr schon tief, und die Nacht wird kalt werden. Jetzt glitzert sie noch im Achterwasser, während wir unsere Bahn ziehen und leuchtet rötlich in den Segeln, aber bald ist Schluss damit. Bergen bald die Segel und motoren gegen den Wind, direkt voraus eine schwarze Wand, das wird kein Spaß auf dem Geifswalder Bodden werden. Ab Stahlbrode Fähre setzt die Welle ein, und wir kämpfen uns durch die Dunkelheit gegenan, meine Stimmung sinkt, es ist saukalt und nass. Dann scheint kurz der Mond über dem Bodden, und leuchtet alles hell an. Erinnert mich an den Film „Das Boot“, glitzernde Mondstrahlen auf der See. Doch dann noch mehr Wellen, und wir motoren uns mühsam voran. Wollen erstmal raus und dann versuchen zu segeln. Stefan schläft kurz und dann ich. So kämpfen wir uns durch Landtief raus und an Göhren vorbei Richtung Sassnitz. Dann endlich kurz nach Sonnenaufgang reißt die Wolkendecke auf und die Kreidefelsen erstrahlen. Bei mir setzt sofort ein positiver Stimmungswandel ein. Sonne satt, es wird endlich wieder warm. Auch Stefan lässt sich von der guten Stimmung anstecken, und Kaffee und Cornflakes machen den Rest. Wir sind etwas früh dran und beschließen noch etwas vor Kap Arkona auf der Ostsee zu segeln, und fahren auf die Westseite von Hiddensee und direkt den Strand einmal runter und wieder hoch, und kommen dann gegen 16:00 Uhr in Schaprode an. 136 sm liegen hinter uns. Die weiteste zusammenhängende Strecke am Stück, welche wir mit einer Jolle bisher gefahren sind, und es war alles dabei: Regen, Sonne, Wind, Flaute, Wellen, gute und schlechte Stimmung. Ein abwechslungsreicher Törn gegen den Uhrzeigersinn rund Rügen. Sehr schön. Das Boot bleibt im Hafen liegen, und wir fahren zusammen zurück.


21.8.2011: Schaprode- Rønne / 71 sm



Das was nun folgt ist nicht zum nachmachen gedacht, da es nicht sinnvoll ist mit einer Jolle über die offene See zu fahren. Ich habe dies nur aus rein persönlichen Gründen getan, welche auch nichts mit dem Segeln selber zu tun haben und ich leider kein anderes Boot zur Verfügung hatte!!!


Es ist 17:00 Uhr, als ich in Schaprode ankomme. Das Boot liegt segelklar im Hafen und ich bin eigentlich hier, um es aus dem Wasser zu holen, und damit die Segelsaison 2011 zu beenden. Das fällt mir schwer. Ich habe noch 3 Tage frei und studiere erstmal das Wetter, und damit reift in mir ein verwegener Gedanke: Bornholm. Für Jollen nicht unerreichbar, aber zumindest eine große Herausforderung. Ich verwerfe den Gedanken, über den ich schon oft nachgedacht hatte, aber er bohrt sich immer wieder an die Oberfläche. Das Wetter sagt voraus, dass es in der kommenden Nacht Süd bis Ost mit guten 3bf geben wird, und die Wellenprognosen sehen auch sehr passabel aus. Dann wird ein Tief durchziehen, und in der nächsten Nacht und dem darauffolgenden Tag wird der Wind auf null gehen. Das wäre die Chance von Bornholm wieder weg zu kommen, denn das scheint mir das größte Problem zu sein. Die Sonne wird bald untergehn, ich muss mich entscheiden. Ich beschließe erstmal in Ruhe abzulegen, auf die See rauszufahren und dann zu entscheiden. Bornholm, das sind 55 sm ein grader Strich. Das Boot ist gut in Schuss, ich hab 120 Liter Benzin an Bord und der Motor läuft ohne Probleme. Es steht also einiges auf grün. Trotzdem will ich nicht leichtsinnig sein. Ich lege meine Schwimmweste an und checke, mache eine Leine zum anleinen klar, kontrolliere das Schlauchboot, den Funk und die Seenotmittel. Währendessen motore ich am Dornbusch vorbei, und die Sonne wandert langsam Richtung Horizont. Ich habe den weiteren Verlauf der Reise nun in Logbuchform chronologisch aufgelistet:

-17:55 Uhr: Segel gesetzt. Groß erstmal mit Reff. Allein will ich es erstmal entspannt angehen. Momentan noch wenig Welle, Sonne und 5,4 kn auf der Uhr und die Richtung stimmt. Entspanne erstmal, räume auf, studiere die Karten und checke noch mal das Boot. 50 sm mit 5 kn macht 10 Stunden, sagen wir mal 12, das klingt nicht unmenschlich. Leider in der Nacht hin und vielleicht auch in der Nacht zurück, das ist der Haken an der Sache. Aber ich war oft genug nachts unterwegs, es wird gehen.
-18:00 Uhr: voll Segel gesetzt, da der Wind nachlässt.
-18:05 Uhr: Motor an, um etwas aus der Abdeckung von Rügen zu kommen.
-18:30 Uhr: Motor aus, nehme wieder gut Fahrt auf.
-19:30 Uhr: muss Boot mit Vollzeug zirkulieren lassen (Dauerhalsen), da sich Unmengen von Seegras im Ruder verfangen haben, dabei klemme ich mir den Fuß an der Ruderanlage ein und bin erstmal kurz in einer misslichen Lage. Alles geht gut, nur Quetschungen.
-19:45 Uhr: Boot macht inzwischen bei aufkommendem böigen Wind bis 4 bf gute 6,5 kn. Ich reffe das Groß und mache noch 5 kn. Das ist ok. Wellen sind noch recht ruhig, ich fahre fast einen Am- Wind- Kurs.
-20:30 Uhr: Kap Arkona querab, Kurs um die 55 Grad, Licht gesetzt, 5,7 kn.
-21:45 Uhr: Wind dreht auf Ost, kann nicht mal 60 Grad halten, Wind wird schwächer, motore gegen stärker werdende Welle. Stimmung schlecht. Berge die Segel, geschaukel ohne Ende, man muss sich tierisch festhalten bei diesem Manöver. An dieser Stelle stehe ich kurz vor der Aufgabe meines Planes und überlege nach Sassnitz einzulaufen, da Wind und Welle einfach nicht zu meinem Kurs passen.
- 23:00 Uhr: nachdem ich schon Sassnitz angesteuert hatte, drehte plötzlich der Wind deutlich zu meinen Gunsten und frischte auf. Setze volle Segel und nehme wieder Kurs auf Bornholm, mache gut Fahrt.
- 0:00 Uhr: muss den Motor mitlaufen lassen, da leider die Batterie alle ist und ich Strom für die Beleuchtung, den Autopiloten und die Navigation brauche. Ich brauche unbedingt eine neue Batterie. Inzwischen regnet es in Strömen. Grund für den guten Wind war ein durchziehender Tiefausläufer, der ist nun weg und der Wind lässt nach. Reffe die Segel, es schwoft ohne Ende und ist dunkel und nass. In dieser mißlichen Lage rutsche ich mit beiden Füßen wegen des starken Rollens über die Bordkante und nur weil ich getreu dem Motto: eine Hand für sich und eine fürs Boot handle, kann ich mich noch am Großbaum festhalten. Adrenalin pur. Ich bin mehr als voll da und stehe für einen kurzen Moment unter Schock. Das wäre trotz des Anleinens sicher nicht gut ausgegangen. Lasse den Pinnenpilot fahren und suche Schutz in der Kajüte.
- 1:10 Uhr: es regnet wie die Hölle. 1 Kanister alle, hab auf einen Neuen umgesteckt. Bin zum Glück nur mäßig abgedriftet und luve jetzt auf 74 Grad an. Zum 2. Mal kreuzt in weiter Ferne eine Fähre. Ich bin zum Glück weitab von den Hauptrouten. Ansonsten ruhig. Habe zusätzlich gereffte Segel gesetzt. Welle inzwischen sehr unschön und hart. Ich sitze in der Kajüte und wärme mir die Hände am Herd. Es ist saukalt, und es wird noch kälter werden. Es regnet immer noch wie aus Kübeln.
-2:10 Uhr: überall Fähren. Ich nähere mich einem Verkehrstrennungsgebiet, ich bin durch den Wind zu weit nördlich gekommen. Beginne mir regelmäßig den Wecker zu stellen, da die Gefahr des Einschlafens besteht. Die Fähren sind im Dunkeln durch ihre starke Beleuchtung gut auszumachen. Zwischendurch war dann mal kurz Flaute, aber jetzt läuft es wieder. Hab jetzt ungefähr die Hälfte bis Bornholm geschafft. Tärä!!! Ich bin langsam durchnässt, es ist saukalt und der Regen hört nicht auf.
-4:30 Uhr: es hat endlich aufgehört zu regnen. Der Wind kommt jetzt auch perfekt. Noch 3 Stunden bis Rønne . Wahnsinn, das Ziel rückt in greifbare Nähe. Hoffe ich komme gut zurück. Bin sehr müde, die Nacht war anstrengend. Stelle mir alle 20 Minuten den Wecker und nicke kurz ein. Anders bekomme ich meine Müdigkeit nicht in den Griff. Schlafe so insgesamt ca 2 Stunden, das erleichtert die Sache deutlich.
-5:05 Uhr: Rønne ist klar und deutlich in Sicht. Bin ich doch jetzt fast zu früh da, so einwenig Licht im Hafen wäre schon gut. Hab ich doch fast punktgenau getroffen, trotz meines Eierkurses mit dem Übersegler.
-6:15 Uhr: habe am Steg festgemacht in Rønne auf Bornholm, mit meiner Jolle. Der lange Weg von Berlin über die Elbe, über die dänische Südsee und Rügen nun nach Bornholm. Wer hätte das gedacht. Ich habe es geschafft. Schnell noch klarieren und dann schlafen, schlafen, schlafen…..


22.8.2011


Ich habe endlich ausgeschlafen, und es ist 13:30 Uhr. Die Sonne kommt raus, und ich mache mich auf den Weg um Rønne zu besichtigen und den weiteren Wetterverlauf zu checken. Langsam wird mir erst bewusst, dass ich es geschafft habe. Dort unten im Hafen liegt nun meine kleine tapfere Jolle und hat mich sicher ans Ziel gebracht. Für mehrere Leute hätte ich niemals die Verantwortung übernommen, aber so war es ok. Es ging dann doch eigentlich wie immer, denn ob du nun 10 sm vor der Küste bist, oder 30 ist am Ende egal, die Probleme sind dieselben. Es hat nur halt etwas länger gedauert, und war dadurch deutlich anstrengender und natürlich auch deshalb, weil ich Einhand unterwegs bin. Inzwischen scheint zwar die Sonne sehr schön, aber der Wind hat auf 5 bf aufgefrischt und die Welle liegt bei gut über einem Meter und das ganze aus S/W. Das war aber auch so vorhergesagt. Nun soll das ganze in der Nacht auf null abfallen. Ich bin gespannt und genieße erstmal Rønne.


23.8. 2011

-4:45 Uhr: mein Geburtstag. Werde vor dem Wecker durch ein auslaufendes Boot wach. Schaue raus und sie da: glatte See und null Wind. Nun bin ich zwar Segler, aber lieber mit dem Motor einen Strich ziehen, als gegen Wind und Welle kämpfen. Bin so euphorisch, dass ich sofort aufklare und ab geht's auf die See. Die Morgendämmerung über Rønne ist nun voll im Gange. Ein guter Start, das wird ein guter Tag werden. Das schlafen hat gut getan, ich bin wieder voll beieinander. Mein Tagesziel Greifswald zu erreichen, rückt in greifbare Nähe. Es ist diesig, aber das wird ein sehr schöner Tag mit viel Sonne werden.
-5:15 Uhr: Ansteuerungstonne Rønne querab, nehme mit 215 Grad Kurs aufs Mönchgut und schramme so knapp an einem Sperrgebiet vor Bornholm vorbei. Hoffe, dass doch noch etwas Wind im Laufe des Tages aufkommt. Werde Rügen schon irgendwie treffen, is ja groß genug die Insel.
-5:45 Uhr: die Sicht voraus ist stark am schrumpfen, eine dicke Suppe liegt da vor mir. Etwas komisch. Der Motor brummt tapfer vor sich hin, bei guten 5 kn. Während Bornholm nun langsam im Achterwasser entschwindet, freue ich über mein Unterfangen, es doch mal versucht zu haben mit der Jolle nach Bornholm zu segeln. Von da aus hätte ich ohne Probleme die Ostküste Schwedens erreichen können. Jetzt scheint alles möglich, günstigste Wetterbedingungen vorausgesetzt. Der Pinnenpilot gibt immer mehr unschöne Geräusche von sich. 3 Jahre Dauereinsatz hält die China- Technik nicht aus. Ist aber ok, er hat mir sehr oft das Segeln erleichtert und das bei Situationen für die er nicht gebaut wurde.
- 6:00 Uhr: wunderschöner Sonnenaufgang über Bornholm, Kurs 215 Grad.
- 7:00 Uhr: neuen Kanister angezapft, Kaffee gekocht, die See ist spiegelglatt.
- 7:45 Uhr: Bornholm entschwindet am Horizont im Dunst, jetzt gibt es gerade nur noch mein Boot, mich und rundum das Meer bis zum Horizont und über mir die Sonne. Freiheit pur. Ich entspanne vom Alltag und auch vom Leben.
- 9:30 Uhr: sitze auf dem Vordeck und lese, während das Boot seine Bahn zieht und leicht in der Dünung schaukelt. Treffe dabei fast das einzige Fischernetz im Umkreis. Der Adlergrund kündigt sich an.
- 9:45 Uhr: passiere den ungewöhnlichen Stengel am Adlergrund. Bin etwas zu westlich gekommen und korrigiere den Kurs auf 208 Grad. Ein Pfeiler so mitten in der Ostsee, sieht sehr imposant aus. Hab nun die halbe Strecke geschafft und bin gut in der Zeit. Ich ziehe immer noch einen Strich durch die See und es ist ein warmer, sonniger Tag. Frische Luft ohne Ende, so könnte es ewig weitergehen. Die Ostsee ist oft kalt und stürmisch, aber heute zeigt sie sich von der besten Seite, was nur ganz selten vorkommt. Das schon morgen Abend das Boot aus dem Wasser kommt und die Saison dann endgültig beendet ist, scheint unwirklich bei diesem Anblick. Ich glaub, ich kann nicht mehr auf Binnenseen segeln. Ich bin da jetzt endgültig versaut.
-10:00 Uhr: inzwischen weiß ich, wo der kleinen Kutter immer herkommt. Vom Adlergrund, aber das war wohl kein Geheimnis. Überall um mich herum tummeln sich nun kleine Fischkutter. In weiter Ferne ziehen die Fähren und Frachter ihre Bahn. Seit es deutlich aufklart, kann ich nun auch weiter sehen und bin dadurch nicht mehr allein. Wind kommt auf, aber aus der falschen Richtung. Noch gute 7 Stunden bis Greifswald. Ein Frachter kommt schnell näher. Komme ins Einzugsgebiet von Swinemünde. Da ist wieder viel los.
- 10:15 Uhr: stehende Peilung mit Schleppfischer von Steuerbord, gebe 5 Grad nach und fahre großzügig durchs Heckwasser.
- 10:30 Uhr: Wind nimmt deutlich auf gute 3 bf zu. Setze alle Segel muss aber soweit an den Wind, dass ich Motor mitlaufen lasse wegen der Abdrift. Mache 6,3 kn.
- 11:00Uhr: es kommt eine Apfelsine vorbei geschwommen. Das wirkt schon etwas merkwürdig. Als nächstes kommt dann nicht die Südsee, aber wenigstens der Kreidefelsen aus dem Dunst.
- 11:30 Uhr: stehende Peilung mit Frachter. Ich gebe nach und ändere meinen Kurs, auch wenn die KVR das anders sieht.
- 12:00 Uhr: die Kreidefelsen verschwinden wieder im Dunst und es bewölkt sich zusehends.
- 13:00 Uhr: Fender ( groß ) und Colabüchse gesichtet. Leider zu spät geschaltet und daher bleibt der Fender zumindest anderen erhalten.
- 13:45 Uhr: Granitz querab.
- 15:00 Uhr: Landtief voraus, kürze kräftig ab. Kurzer Schauer. Welle nimmt zu. Wind inzwischen bei NO/O, gute 4 bf. Da kommt was ran.
- 15:15 Uhr: Motor aus und nur mit segeln hart am Wind 5,5 kn. Das ist ok. Greifswald liegt nun gerade voraus. Mache dort gegen 16:30 Uhr fest, und werde zu meinem Geburtstag von meiner Freundin erwartet. Ein irrer Trip, der einem viel abverlangt hat, sowohl an Erfahrungen als auch körperlich, geht nun zu Ende. Ein schönes Ende für eine schöne Saison 2011, trotz ungewöhnlichem Wetter.


24.8.2011: Greifswald- Schaprode


Ich fahre am nächsten morgen früh los und komme mit einigen Schauern glimpflich davon. Nehme am Nachmittag das Boot aus dem Wasser und fahre Richtung Berlin. Reise, Reise wird weiter gehen…


Text mit freundlicher Unterstüzung von Katrin...